Loslassen
alle Ratgeber sprechen davon, wie das möglichst schnell zu bewerkstelligen sei – schnell – denn: ja, es ist eine Fähigkeit, die immer wieder von Nöten ist, um nicht in Vergangenem stecken zu bleiben, uns wieder bereit zu machen für die Gegenwart. Aber ganz so schnell geht´s wohl nicht. Denn diese Fähigkeit entwickelt nur dann ihre Kraft, wenn wir uns auch die Trauer über nicht mehr Vorhandenes erlauben.
Dann jedoch, wenn Verlust auch betrauert werden darf, kann Loslassen seine ganze Kraft entfalten: es ist ein Entschluß, einmal gefaßt, hilft er uns dabei, die Energie vom bisherigen Schauen auf Vergangenes abzuziehen und sie für das zu nutzen, was jetzt möglich ist. Dann kann ich ein neues Ziel ins Auge fassen, genau anpeilen – und den Pfeil loslassen.
Und ein Ziel trifft man nur, wenn man den Prozeß des Schießens vollendet – dem Pfeil die Möglichkeit gibt, sich genau dann von der Sehne zu lösen, wenn die optimale Dynamik erreicht ist.
In der Kunst des Bogen-Schießens – Kyudo – wird nicht ( wie bei uns meist üblich) das Werkzeug immer mehr perfektioniert, sondern die Achtsamkeit des Prozesses des Schießens steht im Vordergrund und wird ein Leben lang geübt. So gehört es dazu, sich ganz auf den erneuten „Tanz“ ( es ist ein wenig wie eine Choreographie, ja ) des Schießens einzulassen – egal, ob und wie der Pfeil davor sein Ziel erreicht hatte.