Aus wiederkehrendem Anlaß möchte ich das Thema BITTEN streifen.
Als ich neulich mal Sprichwörter, Aphorismen und Zitate mehr oder weniger bekannter Autoren durchforstete, fand ich überwiegend tendenziell negativ getönte Sprüche zum Bitten; der Tenor ist oft, daß Bitten eher mit Machtlosigkeit oder Unterwürfigkeit konnotiert zu sein oder mit Betteln verwechselt zu werden scheint. Hier zwei Beispiele:
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Vergeude keine Zeit mit Bitten.
Ovid
(43 v. Chr. – 17 n. Chr.), eigentlich Publius Ovidius Naso, römischer Epiker -
Dem Teufel ist das Gebet zuwider, dem Menschen die Bitte.
aus China
seltener ist diese Version :
Befehle wecken Widerstand,
Bitten hingegen das Entgegenkommen.
Elvira von Ostheim
Ja, das Bitten wird uns nicht in die Wiege gelegt – es ist vielmehr ein Produkt eines Reifungsschrittes in unserem Leben. Es ermöglicht uns, einen Wunsch oder ein Bedürfnis auszusprechen – mit dem Wissen, daß andere Menschen keine automatischen Wunscherfüller sind. Daß sie die Freiheit haben, auch nein zu sagen. Daß sie aber, wenn sie gebeten wurden, sich respektiert fühlen und eher bereit sind, unserm Wunsch zu entsprechen – und, wenn das nicht stimmig ist, über mögliche Kompromisse nachzudenken oder sich auf solche einzulassen.
Viele Eltern kennen die sehr speziellen Reaktionen ihrer Kinder auf den Versuch, ihnen das Bitten nahe zu bringen. Unsere Tochter sagte, wenn ich beim abendlichen Vorlesen mal eine Pause einlegte: „lies!“ Wenn ich ihr sagte, man könnte da auch mal bitte hinzufügen, reagierte sie mit“lies – los!“ 😁😆 Oder noch ein Beispiel dazu: ein Bekannter erzählte mir, daß sein Sohn auf die Anregung, das Wort mit den ´2 t s ´ zu verwenden sagte: „Ich habe Durst- will was zu trinken“ …“ flott!?“ 😁😆
Wenn Menschen in dieser Phase erleben, daß Sie gedemütigt werden, wenn sie nicht bitten, dann bleibt dieses Thema ein heikles. Ebenso dann, wenn Kinder lernen, daß offensichtlichen Befehlen ein drohendes „bitte“ hinzugefügt wird : “ Max, willst Du jetzt endlich herkommen – b i t t e !!!“ (das nenn´ ich: Etikettenschwindel!!) Oder, wenn Kinder mit Erwachsenen konfrontiert werden, die meinen, sie vergäben sich etwas, wenn sie selbst eine Bitte aussprechen sollten – stattdessen den Anspruch vertreten, das Kind hätte Befehle zu akzeptieren und sich auf merkwürdige Definitionen von Respekt und Erziehung berufen.
Eine Bitte ist eine Bitte – und ihr Sinn besteht darin, daß ich signalisiere, was ich gern hätte – dabei die Freiheit des Anderen respektiere, ob er ihr entsprechen will oder nicht. Ich bin dabei auf Augenhöhe mit meinem Gegenüber und stehe zu meinem Wunsch. Und es ist ganz herrlich ehrlich, wenn Kinder, die dringend etwas wollen, frei heraus dieses geforderte “ bitte“ noch nicht benutzen wollen – bis sie auch selbst in den Genuß dieser Freiheit gekommen sind. Und das erleben sie erst, wenn sie aus der Phase, in der es noch keine zwei Meinungen gab, herausgreift sind in den Erlebnismodus, daß es verwirrend und manchmal auch beängstigend ist, wenn sie eigene Handlungspläne schmieden und verfolgen können und erleben, daß die nicht immer mit denen der Erwachsenen zusammenpassen. Kinder, die dann erfahren, wie gut das tut, wenn man sie bittet, wenn auch ein „nein“ respektiert wird und wenn sie erleben, daß ihnen auch Kompromisse angeboten werden, die ihren Willen und ihre kleinen Pläne berücksichtigen – so entwickelt sich echter Respekt. ☺️